Wir Bipos neigen ja erwiesener Maßen zu Substanzmiss- und -gebrauch. Hardlinern stehen da natürlich die Haare zu Berge. Andererseits: wir pfeifen uns allerlei Chemie (die teilweise auch unter das BTMG fällt) ein, um unsere Erkrankung zu behandeln.
Ich bin mir sicher, dass es hier einige Leute gibt, die in unbehandelten Zeiten massivst Drogen- und Alkohol konsumiert haben, allerdings jetzt - behandelt, ruhiger&reifer geworden - entweder ganz damit aufgehört oder einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang damit gefunden haben, ohne das Sucht zum Thema wurde. Mich interessieren da Erfahrungen.
Ich selber habe unbehandelt massiv gesoffen (durchschnittlich an fünf Tagen der Woche einen Liter Schnaps, Bier gar nicht mitgezählt), gekifft auch, jedoch nicht in der Form, dass ich den Tag mit einer Bong begonnen hätte.
Mit Behandlung und über die Jahre ist mir die Lust auf Alkohol fast gänzlich abhanden gekommen, dafür kiffe ich noch. Dabei reichen mir 2 Gramm in der Woche und ich setze auch immer wieder ganz aus. Entweder wenn ich denke, es tut mir nicht gut oder ich einfach mal abstinent sein will und manchmal ist es auch einfach alle.
Unter Einfluss von Cannabis arbeiten zu gehen würde mir niemals einfallen, ebenso würde ich niemals zu einer Verabredung bekifft auftauchen, das wäre mir viel zu stressig. Wenn ich kiffe, dann ist das so ein Feierabend-Abschalten-Ding. Ohne kleine Sportzigarette kann ich nach stressigen Schichten mehrere Stunden nicht abschalten, was nicht so schön ist, wenn die Schicht um halbzwei nachts zu Ende ist.
Mit ein bisschen Cannabis finde ich schneller in den Schlaf, schlafe erholsamer und grübele nicht, was ich vergessen haben könnte, ob ich alles Gemüse bestellt hab, ob ich die Lüftung ausgeschaltet hab und den Konvektomat gereinigt... ich kiffe nur soviel, dass ich am nächsten Tag keinen Überhang hab. Denn ich arbeite in einer Küche als Alleinköchin, da muss ich von jetzt auf gleich von null auf hundert gehen können, manchmal hab ich auch den ganzen Tag hundert, bekifft wäre das für mich ein Horror.
Mein Arzt weiss über meinen Konsum Bescheid und vertraut mir dahingehend, dass ich selber weiss, was mir guttut. Er verschreibt mir auch Medikamente mit der Vorgabe "soviel wie nötig, sowenig wie möglich". Derzeit bin ich übrigens medifrei bis auf Promathazin als Bedarf.
Ich weiss, dass Cannabis bei prädisponierten Leuten Psychosen auslösen kann, ich weiss auch, dass Cannabis vor allem bei jungen Menschen verhehrenden Schaden anrichten kann. Allerdings reden wir da von vierzehn-/fünfzehnjährigen, die an einem Tag unter Umständen mehr durch ihre Bong ziehen als ich über den ganzen Monat verteilt. Und da lasse ich mich ungern über einen Kamm scheren.
Ich hab mit 17 angefangen zu kiffen (vielleicht einmal im Vierteljahr) und damals war es ein Segen für mich, dass ich mittels einer Substanz auf ein Level gelangen konnte, das es mir ermöglichte, mit meinem Umfeld
irgendwie klarzukommen.
Auch Alkohol war anfangs so ein Segen für mich. Nur dass der Alkohol, anders als Cannabis, immer mehr und mehr forderte. Über einen gewissen Zeitraum bestimmte Alkohol mein ganzes Leben, vom Aufstehen bis zum ins Bett fallen. Ich trank zwar nicht tagsüber und nie alleine zu Hause, aber der ganze Tag war darauf ausgerichtet, mich abends ins Koma zu saufen und das hab ich dann auch getan.
Ich hab Glück gehabt, dass ich nicht alkoholkrank wurde, vielleicht hab ich nicht die genetische Disposition dafür, ich weiss es nicht. Aber ich weiss, dass das soo selten hier nicht ist und wünsche mir eine offene Diskussion darüber.
Sucht soll nicht Thema dieses Baumes sein, denn Sucht ist was anderes. In der Drogenarbeit von Beratungsstellen hat sich ein akzeptierender Umgang mit Drogenmissbrauch eingestellt, ganz einfach, weil man Junkies besser erreicht, wenn man ihren Drogenmissbrauch nicht verurteilt. Es wäre schön, wenn hier zumindest ein tolerierender Umgang möglich wäre, ohne dass Hinz und Kunz den Baum nutzen, um mal wieder schön den Moralapostel raushängen zu lassen.
Die meisten Drogenbenutzer sind ganz sicher besser über Gefahren und Risiken des Konsums aufgeklärt, als jeder Laie.
Und bevor der Vorwurf kommt: Nein, ich mache hier keine Werbung für Cannabis und Alkohol und will die Folgen des Missbrauchs nicht verharmlosen. Aber es gibt verantwortungsvollen Gebrauch und es gibt Bipos, die nach massivem Missbrauch keine Sucht entwickelt haben. Darüber muss man hier reden dürfen.
Sumosimi
Taat du nee borom djogol, so djoge mu topola.