wolfmuc schrieb:
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> Jede Depression geht vorbei? /
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> ja, kann ich bestätigen da ich von Jugend an
> damit zu tun habe,
> nur mit dem Alter werden Diese stärker und
> länger ... warum ?... steht nicht mal in
> wikipedia..
Hi wolfmuc,
in der Wikipedia vielleicht nicht, es steht aber in den Studien von Jules Angst, Schweizer Psychiater und Großmeister der bipolaren Störungen in Europa. Bei den meisten bipolaren Störungen (um nicht zu sagen: so gut wie allen bis auf Ausnahmen)
werden die Episoden mit der Zeit länger, die Ausprägung wird extremer und sie folgen einander schneller (was man am Anfang noch ganz leicht sehen kann, später ist es nur noch mit statistischen Mitteln nachweisbar).
Einen Fachaufsatz im deutschsprachigen Standardwerk über bipolare Störungen (meine Einschätzung) findest Du hier – und ich empfehle den Klick ganz nachdrücklich, denn er führt Dich mitten in den Aufsatz hinein, nicht an den Anfang, an eine Stelle mit einer Abbildung, die sehr aussagekräftig ist. Da sieht man es eigentlich sofort.
Jules Angst macht ganz nachdrücklich auf die vielen Fehler seiner Kollegen aufmerksam, wenn es zum richtigen und falschen Einsatz von Statistik kommt. Scheinbar ist das schon seit Kraepelin ein großes Problem (also seit dem 19. Jahrhundert), und ich bekomme beim Lesen immer etwas das Gefühl, als wäre Prof. Angst ein bisschen sauer, dass es immer noch Kollegen gibt, die das nicht hinkriegen, und deshalb blind und blauäugig behaupten, bipolare Störungen würden sich nicht verschlechtern und bräuchten keine langfristige Prophylaxe. Am Anfang beschreibt er sehr bildlich, dass er selbst Patienten aus den USA mit Lithium behandelt hat, weil die Amerikaner den Sinn einer Lithium-Prophylaxe jahrelang einfach nicht begriffen haben. Der Mann ist Schweizer, also kein temperamentvoll-heißblütiger Brasilianer, und das ist ein Fachbuch, also bleibt er schön sachlich reduziert – aber diesen Seitenhieb konnte er sich offenbar nicht verkneifen. Bringt mich echt zum Schmunzeln.
Wie eine gute Behandlung sich da auswirkt, ist unklar. Es gibt Ärzte, die meinen, man müsse so früh wie möglich behandeln, denn bei geringerer Schwere ist die Behandlung auch leichter – ich glaube sogar, das ist Konsens. Die Frage ist aber, was passiert, wenn eine Behandlung wirkt. Nehmen wir als Beispiel einen Patienten, der Lithium bekommt. Es schlägt zu 100 % an, es geht ihm gut, er nimmt es 40 Jahre lang. Dann muss er es leider absetzen, weil seine Nieren eine Funktionsstörung haben. Wird sich seine bipolare Störung jetzt so weiterentwickeln wie sie an dem Tag war, als er Lithium das erste Mal bekam, hat die erfolgreiche Therapie die Verschlechterung der Erkrankung also vorübergehend gestoppt? Oder hat sich die Erkrankung trotz Therapie verschlechtert, sozusagen verdeckt, heimlich, und der Patient "klinkt sich in den schlechteren Verlauf ein", so als wäre er nie behandelt worden? Die Meinungen darüber gehen weit auseinander. Das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben, denn wie will man diese Frage untersuchen? Woher will man wissen, was passiert wäre, hätte der Patient nie Lithium bekommen? Für diese These gibt es leider ein Argument: Es gibt Patienten, deren Pharmakotherapie mit der Zeit unwirksam wird. Wenn man dann, bei diesen Patienten, die Dosis erhöht, wirkt sie wieder. Man könnte sagen, der Krankheitsverlauf "drückt bei ihnen durch" – das hieße, es gibt womöglich einen Krankheitsverlauf trotz Symptomfreiheit unter Medikamenten. Geklärt ist die Frage aber nicht.
(Ich persönlich, so ganz naiv als Patient, nicht als Wissenschaftler, frage mich ja auch, ob das nicht auch vom Medikament abhängt. Vielleicht gibt es Medikamente, die nur Symptome unterdrücken, aber nicht das eigentliche Problem in den Nervenzellen. Neuroleptika vielleicht. Bei denen verschlechtert sich dann der Verlauf vielleicht trotz Symptomfreiheit. Und vielleicht gibt es auch Medikamente, die die Nervenaktivität so regulieren, dass es nicht zu einer weiteren Ausprägung von Nervenbahnen oder zu Schäden oder was immer der Grund für die Verschlechterung sein mag kommt. Da verschlechtert sich der Verlauf dann nicht. Antiepileptika wären da Kandidat Nr. 1. Aber das ist jetzt echt nur eine ganz, ganz wilde Otacon-Hypothese. Ein Arzt würde mich jetzt vielleicht auslachen.)
Viele Grüße
Otacon
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