Da klinke ich mich auch noch einmal ein.
Die Vorstellung, dass Symptome zu unterdrücken keine eigentliche Verbesserung der BS ergibt, ist in meinen Augen nicht nur die halbe Wahrheit, sondern schlichtweg nicht korrekt. Das Nervensystem reagiert auf vorhandene und nicht vorhandene Reize und Zustände dynamisch und ist in weiten Teilen lernfähig.
Lässt man Symptome laufen, sorgt man z.B. dafür, dass gestörte Regelmechanismen gestört bleiben, und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Störungen sich verschlimmern. Das gilt natürlich auch für die Neurotransmitter, deren Haushalte eben sehr wohl bei BS andere Stadien erreichen, als dies bei gesunden Menschen der Fall ist.
Das ist auch das, was die Wissenschaft über BS sagt, nicht aus Theorien heraus, sondern aus Statistiken tatsächlicher Krankheitsverläufe.
Ungebremste oder ungenügend behandelte Phasen verschlechtern die Prognose.
Das ist eine Erkenntnis, die man aus der Betrachtung eines einzelnen Krankheitsverlaufes heraus alleine schlichtweg nicht gewinnen kann.
Das bedeutet aber nicht, dass sie deshalb für den einzelnen Betroffenen nicht gilt.
Tatsächlich ist man allerdings noch nicht soweit, diese Erkenntnisse wirklich ursächlich zu erklären, sonst hätte man ja einen Ansatzpunkt für tatsächliche
Heilverfahren.
Zu suggerieren, es gäbe klar definierte und erforschte Ursachen, ist falsch.
Genauso falsch, wie der Schluss, dass man dann einfach ursächliche Verknüpfungen einfach behaupten könne.
Das wird hier gerne immer wieder gemacht, aus Einzelfällen heraus und ohne jede Gültigkeit.
Es gibt Modelle, die bestimmte Schlüsse zulassen, und in ihrer Wahrscheinlichkeit an der Realität gemessen werden, wie das Vulnerabilitäts-Stress-Modell, die die Fakten bestmöglich erklären und weitestmögliche Gültigkeit haben sollen..
Dazu gehört z.B. die genetische Komponente, die dementsprechend, was man über andere Krankheiten sicher weiss, als sehr wahrscheinlich und als quasi bewiesen angesehen werden kann. Als ein Faktor.
So geht man also den bestmöglichen Weg der bis jetzt zur Verfügung steht, die Behandlung der Symptome, wobei man z.B. das beschränkte Wissen über Neurotransmitter und Psychopharmaka nutzt.
Verglichen mit vielen anderen Therapiemöglichkeiten ergeben sich mit Psychopharmaka zur Zeit die größten Veränderungen an den Symptomen, die machbar sind, meist mit einer höheren Erfolgsrate, als bei anderen Möglichkeiten wie Psychotherapie, die dann kombiniert werden, um zusammen den größtmöglichen Effekt zu erzielen.
Was erreicht werden soll, ist und bleibt der stabile Zustand in bezug auf Stimmung und Antrieb, die sich in den Grenzen gesunder Menschen befinden sollen.
Eine davon abweichende Behandlung wäre das Abweichen von ärztlichen Grundsätzen.
Wie tiefgreifend schwere affektive Störungen wirklich im Nervensystem verankert sind, wird oft unterschätzt, und die Forschung entdeckt da auch immer wieder neue erstaunliche Fakten.
Freiburger Wissenschaftler arbeiten z.B. daran, ein Diagnoseverfahren für Depressionen zu entwickeln, dass auf dem Fakt beruht, dass das Kontraste-Sehen sich bei Depression immer mehr verflacht (in Depression sieht tatsächlich wissenschaftlich überprüft alles grauer aus) (Studie von 2010).
Dieser Effekt der gestörten optischen Wahrnehmung ist so tief im Nervensystem verwurzelt, dass sogar Patienten, die in einer Phase wirksame Antidepressiva nehmen, und dadurch quasi symptomfrei sind, ihn aufweisen. Damit liesse sich dann Depression, bzw. ihr tatsächliches Ende nachweisen, während akut erfolgreich die Symptomatik bekämpft wird, und somit wären genauere Medikationen aufgrund wissenschaftlicher Fakten möglich.
Tatsächlich bedeutet das auch, dass nicht allein das Verarbeiten der Reize, also im weitesten Sinne das *Denken* bei Affektiverkrankungen gestört ist, sondern bereits die direkte Wahrnehmung ab der Netzhaut......
selbst wenn Antrieb und Stimmung bereits medikamentös unter Kontrolle sind.
Da ist es eher unwahrscheinlich, durch Verfahren, die über das Denken funktionieren, alleine(!) bzw. akut große ursächliche Veränderungen zu bewirken, wo die Wahrnehmung bereits ab dem Sehnerv schon gestört im Hirn ankommt - weit vor jeder Informationsverarbeitung...
Desweiteren kann man davon ausgehen, dass dies nicht der einzige Effekt ist, der da ausserhalb des Denkens liegt, und so etwas nur in der optischen Wahrnehmung passiert. Da ist schlichtweg noch sehr viel Raum für weitere Forschung, um zu sehen, wie weitgreifend die Veränderungen durch affektive Erkrankungen tatsächlich sind....
LG,
M.