Hi crazy,
Lorazepam ist ein hervorragendes Medikament, wenn man es richtig einsetzt.
Lorazepam hat aber eines der höchsten Abhängigkeitsrisiken überhaupt, illegale Substanzen mit eingerechnet – und der Entzug ist schlimm. Es handelt sich denn auch um eine der am häufigsten missbrauchten Substanzen in der Bundesrepublik. Man darf es auf keinen Fall längere Zeit täglich einsetzen, unabhängig von der Höhe der Dosis. Die Faustregel sagt, dass nach 14 Tagen die Abhängigkeit manifestiert ist – aber das kann individuell verschieden sein.
Die ambulante Maximaldosis (außerhalb des Krankenhauses also) liegt meines Wissens nach bei 3,5 mg (oder war’s 3 mg?). Du nimmst 6,25 mg.
Ich mag Lorazepam und setze es selbst ein. Es wirkt schnell, durchschlagend und bei mir fast nebenwirkungsfrei. Ich nehme ungefähr ein Mal 0,5 mg binnen vier bis acht Wochen. Das ist also sehr selten.
Du hast mich (per PN) um meine ehrliche Meinung gebeten. Hier kommt sie: Alles über 3,5 mg täglich ist ambulant nur in extremen Ausnahmefällen vertretbar. Wenn erst ein oder zwei andere Medikamente versucht worden sind, ist ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben. Es gibt eine ganze Reihe von Beruhigungsmitteln, die nicht körperlich abhängig machen. Lorazepam täglich, auch noch über den Tag verteilt, in einer solch hohen Dosis zu nehmen – jedes einzelne dieser Dinge halte ich für Kamikaze.
An Deiner Stelle würde ich das für Notfälle in die Tasche stecken – es wirkt binnen 30 Minuten, die Schmelztabletten noch schneller – und mich dazu zwingen, es nie länger als drei Tage hintereinander zu nehmen, und so wenig wie möglich, aber
auf gar keinen Fall mehr als 3,5 mg.
Bitte Deinen Arzt um ein anderes Medikament. Hast Du die Packungen schon? Wenn es eilig ist, kannst Du zum ärztlichen Notdienst gehen, Lorazepam auf den Tisch knallen und sagen, dass Du eine Alternative wegen des Abhängigkeitsrisikos brauchst. Lorazepam ist in seiner Wirkung so berüchtigt, dass die allermeisten Ärzte Dir diesen Wunsch sofort erfüllen werden, auch im Notfallbereich. Ich selbst habe genau das schon mal gemacht.
Empfehlen könnte man ein atypisches Neuroleptikum. Promethazin könnte zu schwach für Dich sein, macht aber nicht abhängig und ist gut verträglich. Du könntest versuchen, mit mittleren und höheren Dosen Promethazin das Wochenende zu überbrücken (aber auch hier: nicht überdosieren!) – und dann ein neues Medikament mit Deinem Arzt absprechen. Achte aber bitte genau darauf, ob Du es auch verträgst.
Viele Ärzte haben mittlerweile geradezu Angst vor Lorazepam und verschreiben es gar nicht mehr. Das halte ich für falsch, denn es ist, richtig eingesetzt, ein hervorragendes Medikament. Vor allem etwas ältere Semester gehen damit aber ausgesprochen locker um. Meine erste Psychiaterin hat auch zu mir gesagt: „Sie nehmen jetzt erstmal Lorazepam, von der Abhängigkeit holen wir Sie dann schon wieder runter.“ – meine aktuelle Psychiaterin, Universitäts-Klinik, betreut auch eine Geschlossene und setzt Lorazepam daher täglich ein, ist bei diesem Satz sichtbar aus allen Wolken gefallen.
Lass Dich bitte weder zu leicht beruhigen (Das Zeug ist gefährlich!), aber auch nicht zu sehr aufregen (Das rühre ich gar nicht mehr an!). Besonders Patienten, die einen Entzug hinter sich haben, sind manchmal etwas überempfindlich. Lorazepam ist ein hervorragendes Medikament und es kommt darauf an, das richtige Maß zu finden. Gegen 0,5 bis 3 mg alle paar Tage, mit mehren Tagen Pause also, ist aus meiner Sicht absolut nichts einzuwenden – und ich vermute, dass die meisten vernünftigen Ärzte mir da zustimmen.
Lorazepam wirkt nur sehr kurzfristig. Es gibt Mittel, die länger wirken.
Lorazepam und Seroquel verstärken sich gegenseitig in ihrer Wirkung, wenn ich mich recht entsinne.
Viele Grüße
Otacon
PS: Normalerweise gebe ich keine so direkten Empfehlungen, aber ich habe den Eindruck, dass das hier angebracht ist – es ist Wochenende.
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2-mal bearbeitet. Zuletzt am 28.01.11 13:06.