Hallo Cornelia,
ist die Überlegung verkehrt, wenn ich mir sagen, dass wenn ich der Antipsychiatry das Wasser abgraben will, ich vielleicht bei denen anfange, die sich ungerecht behandelt fühlten und ihnen zuhöre? Denn evtl. sind es gerade die, die dort hinwandern, weil ihnen sonst niemand zuhört?
Ich möchte mal nur ein ganz kleines, noch recht harmloses Beispiel geben. Ich habe zwei vollstationäre Kliniken kennen lernen dürfen 2003 und 2004. In der ersten Klinik war die Tür zum Schwestern-/Pflegerzimmer immer zu. Wenn man etwas wollte, mußte man klopfen und wurde zu 80-90% fast mißmutig angschaut und evtl. gabs auch eine ebenso schroffe Antwort. Das Personal hielt sich die überwiegende Zeit dort auf, kam nur raus, wenn sie Patienten suchten, oder irgendwo hin begleiten mußte. Meine sog. Bezugsschwester versuchte nicht im geringsten einen Bezug zu mir herzustellen, ihr Gesicht blieb verschlossen. Das ist keine Feststellung alleine nur von mir gewesen, viele bemengelten dies. Viele kamen sich da sehr klein vor, eben als Bittsteller, wohlgemerkt, es war eine offene Station.
In der anderen Klinik 2004 gab es auch ein Schwestern-/Pflegerzimmer, aber die Tür stand immer offen, das Pflegepersonal hielt sich auch außerhalb des Zimmers auf und suchte den Kontakt zu ihren eingeteilten Patienten. Nur zu den Übergabezeiten war die Tür zu. Hatte man eine Bitte oder Frage, wurde sie meistens auch höflich beantwortet.
Später habe ich dies einem Arzt erzählt, der selber in der ersten Klinik mal gearbeitet hatte. Er bestätigte mir den Eindruck den ich hatte. Er und noch ein Arzt machten vor Jahren den Vorschlag, diese "Glaskästen" anders zu gestalten, freier und offener für die Patienten. Es wurde aber vom eigenen Personal abgelehnt.
Gruß Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).