Guten Abend LaCarina, Linda, Colt,
im Grunde schließe ich mich dem an, was Linda und Colt geschrieben haben. Im strikten Sinne ist die bipolare Depression nicht heilbar wie ein entzündeter Blinddarm oder ein gebrochenes Bein. Das heißt aber nicht, dass diese Erkrankung als verhängnisvolles Schicksal über uns waltet; selbstverständlich tragen wir für uns eigenes Leben die Verantwortung, und zwar auch dann, wenn eine genetische Anlage zur "endogenen Depression" nachweislich vererbt wurde. Dieser Verantwortung kann man sich nicht entziehen, denn ein Nicht-Verhalten etwas in Form einer blinden Unterwerfung unter die Zumutungen der Psychiatrie und ihres Personals ist auch ein Verhalten; und es gibt sehr wohl Gründe, warum das eine zu tun besser als das andere ist, z.B. in einer bestimmten Lebenssituation eine neue medikamentöse Therapie oder eine andere Form von Psychotherapie als die meist steretyp verordnete Verhaltenstherapie zu beginnen.
In der Debatte um die Ursachen der bipolaren Depression habe ich vor einigen Stunden bereits darauf hingewiesen, dass in unserer Familie die Anlage zu dieser Krankheit vererbt wird. Zwar gehöre ich zu den rapid cyclern und habe allein in den letzten Jahren dutzendfach den Switch aus der Depression in eine andere, bessere Welt buchstäblich über Nacht erlebt. Gleichwohl nützt diese Erfahrung mir nicht ein Jota, wenn die Schwermut mich in ihren Krallen hat. Jede dieser Krisen erlebe ich als Endkrise, und wenn Freunde mich in bester Absicht auf meine einschlägigen Erfahrungen aufmerksam machen, so denke ich bei mir: Wenn ihr wüsstet, wie es in mir aussieht. Diesmal schaffe ich es nicht mehr, ich werde bis ans Ende meiner Tag in irgendeiner Anstalt für seelisch Kranke verschwinden, oder ich bringe zuvor wie einst meine Mutter den Mut auf, in einem letzten Akt der Freiheit meinem Leben ein Ende zu setzen.
Noch jedesmal habe ich es wie ein Wunder erlebt, wenn ich Stunden später durch Feld, Wald und Flur laufe und die Natur genieße - viel zu sehr geprägt durch die Philosophie der Aufklärung und die Wissenschaften erschiene es mir unredlich, nun plötzlich einem personalen Schöpfergott für seine Gnade zu huldigen. Der Hund wäre schließlich auch für unser Leiden verantwortlich, für alles Leiden dieser Welt. Aber wohin mit meiner Dankbarkeit für diese Stunde, für die Freunde, für die blühenden Kastanien.... Es fällt schwer, nicht kitschig zu werden. Aus diesem Grunde schließe ich für heute. Nicht jedoch ohne Euch zuvor eine gute Nacht und schöne Träume zu wünschen.
Schöne Grüße aus Berlin
Andreas