Liebe Claudia,
ich kann dich und deine Zwickmühle nur zu gut verstehen. Wenn ich jemanden liebe, leide ich auch so empathisch mit, das ist irgendwie unumgänglich. Abhängig sind Paare voneinander allemal, sonst gäbe es ja keine Verbindlichkeiten, sprich keine Beziehung.
Aber so eine plötzlich Manie kann das absolute Gegenteil von Empathie, also völlige Beziehungslosigkeit sein, dann gilt manchmal überhaupts nichts mehr was bisher gegolten hat. Gerechtigkeit, Mitgefühl, Toleranz, lieb und böse... all diese Begriffe kann man dann in den Wind schießen, es gibt sie einfach nicht mehr.
Es kann sein dass alles was Stress macht und ohnehin schon belastend genug ist, ungefiltert mit Verachtung, Vorwürfen und Niederbrüllen bestraft wird. Z.B. kann ich mir vorstellen dass du für dein Engagement für deine Oma nun blöde, kalte und verächtliche Sprüche ernten könntest. Weil du zu Weihnachten nicht da warst und das alles nur unlustig ist und nichts was man brauchen kann, etc. Bei solchen Dingen, wo man sich ohnehin schon so bemüht hat, kann es dann besonders verletzend und unfair werden.
Wenn du ihn jetzt versuchst zu einer geeigneten Behandlung zu bewegen oder wenn du ihn für seine aggressiven Ausfälle kritisierst, mach dich natürlich darauf gefasst, dass du verrückt erklärt wirst und an allem allein Schuld sein musst. Womöglich beendet er dann auch die Beziehung, weil bevor er einen Knax hat, musst du ihn haben und die Beziehung ist nichts wert. Das gehört sich so, verstanden? (;-)
Ich würde an deiner Stelle versuchen jede Art emotionellen Stress möglichst von euch fernzuhalten und das Weite suchen. Flucht ist oft besser als man denkt, vor allem weil kämpfen in einem solchen Fall gar nicht möglich ist, zumal ja auch kein Gerechtigkeitgefühl etc. herrscht.
Alles andere führt wahrscheinlich nur zu noch mehr Streit und Verletzungen. Wenn du dich zurückziehst folgt vermutlich ein Telefonbomardement etc., bleibe aber besser konsequent kurz und weg.
Bei einem Trauma sagt man ja auch dass man in sehr bedrohlichen Situationen wo man attackiert wird, rein instinktiv 3 Selbstschutz-Möglichkeiten hat: Entweder zu kämpfen oder zu flüchten. Wenn aus irgendeinem Grund beides nicht geht, stellt der Organismus auf "tot stellen" und man erstarrt.
Nachdem ich bei der Manie meines Freunds noch keinerlei Informationen hatte und kämpfen dank seiner feigen Ignoranz nicht gelang, blieb mir unbewusst wohl nur mehr das Letzte.
Aber das ist bei dir nicht so, du bist ja schon gut informiert.
Wenn dir die Beziehung das wert ist und deine Liebe unerschütterlich genug, lass dich inzwischen auf einer möglichst spezialisierten Bipo-Ambulanz beraten wie du ihn zu einer richtigen Behandlung bringst. Ich kann mir eigentlich nur vorstellen dass das über die möglichen Vorteile, die das mit sich bringt zu machen wäre und mit deiner Absenz.
Lass dich nicht unterkriegen!
Liebe Grüße
dcine