Mythos "Trigger": Denkanstoß

04. 12. 2018 08:27
Hallo, ich wollte nach sehr langer Zeit mal einfach ein Thema aufwerfen, das mir immer und immer wieder begegnet und irgendwie auch auf den Keks geht. Die ewige Suche nach angeblichen Triggern für eine Phase, meist für eine Manie.
Was nun, wenn es nur einen einzigen Trigger gäbe, und es den oft noch nicht einmal braucht und er auch schwer vermeidbar ist: Stress.
Einfach Stress vermeiden.
Ich rede nicht davon , dass man Frühwarnsymptome nicht herausfinden sollte, aber die Suche nach Triggern ist meist reichlich überflüssig und eine ganz menschlich-biologische Geschichte, die überall Sinn macht, aber bei psychischen Erkrankungen gerade NICHT.
Ich habe IMMER einen Grund gehabt, für alle meine Stimmungswechsel. Weil man automatisch einen Grund sucht, einen Zusammenhang, und wenn man den meint, gefunden zu haben, dann glaubt man, die Sache wäre erledigt.
Das macht evolutionstechnisch durchaus Sinn.
Der Mensch analysiert Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, um in zukünftigen Situationen neue Strategien vorausplanen zu können. In den letzten Jahren hat es sehr interessante Entwicklungen in der Hirnforschung gegeben, und ein großer Teil der Forscher auf diesem Gebiet deutet die Ergebnisse folgendermaßen:
Erinnerungen werden auch dann zu Ursache-Wirkungsketten, wenn es gar keine gibt. Unterm Strich macht das Sinn, denn oft haben Ereignisse diese Zusammenhänge. Aber wenn es keine Ursache für etwas gibt, bastelt sich das Gehirn in dem Moment, in dem eine Erinnerung abgerufen wird, die am plausibelsten erscheinende Erinnerung, eine, die ein Muster sucht, eine, die eine Kausalkette beinhaltet. Auch, wenn das nicht der Realität entspricht. Das führt unter anderem zu absurden Fehlannahmen.
Es gibt ein wissenschaftliches Experiment, bei dem der Proband einen Leuchtpunkt vorhersagen soll, der entweder oben oder unten erscheint. Die Leuchtpunkte werden dann zufällig oben oder unten angezeigt, aber mit einer ganz klaren Häufung (80%) oben.
Und nun passiert etwas Eigenartiges: Wir suchen nach einem Muster im Zufall, und zwar dauerhaft. Auch nach längerer Zeit, wenn kein Muster erkennbar ist, versuchen Menschen, nach einem Muster vorherzusagen, mal oben, mal unten. Das beste Ergebnis, was sie so erreichen, ist 63% Trefferquote. Würden sie nur immer oben vorhersagen, wäre die Trefferquote deutlich besser - nämlich 80%. In diesem Vorhersagetest schlagen selbst Ratten uns in der Trefferquote, die nehmen schnell die vielversprechendste einfache Lösung, immer oben.
Wenn die menschlichen Probanden gefragt werden, warum sie immer noch mal oben und mal unten vorhersagen, obwohl sie doch kein Muster erkannt haben und ihre Trefferquote mit "nur oben" besser wäre, erfinden sie die eigenartigsten Begründungen. Fakt ist - es ist unsinnig. Es ist so, wie unser Gehirn arbeitet, es sucht Muster, ob da welche sind, oder nicht. Das macht auch einen Sinn im Großen und Ganzen, aber in vielen Fällen, nämlich da, wo es keine Muster gibt, macht diese Arbeitsweise der Erinnerung und Strategieplanung überhaupt keinen Sinn.
Wir können es aber auch nicht abschalten. Unser Hirn arbeitet eben so.
Bildgebende Verfahren zeigen, dass im Moment des Erinnerns tatsächlich Areale aktiv werden, die mit Fantasie und Kreativität sowie Logik assoziiert sind. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass sog. falsche Erinnerungen erst in dem Moment erzeugt werden, in dem sie abgerufen werden, nicht in dem Moment, wo sie gespeichert wurden. Man bastelt sich quasi unentwegt eine neue Vergangenheit.
Vor diesem Hintergrund stellt sich klar die Frage, inwieweit bestimmte tiefenpsychologische und psychoanalytische Verfahren überhaupt Sinn machen, ebenfalls Trauma-bearbeitende Verfahren. Es ist ja schon länger bekannt, dass es bei sowas sogar recht häufig zu nachweislich falschen Trauma-Erinnerungen kommt, die durch Suggestion und der Suche nach einem Sinnzusammenhang von Vergangenheit und Gegenwart erzeugt werden und plausibel *erscheinen*.
De facto ist die Erinnerung etwas, was mit der Realität erstaunlich wenig zu tun hat.
Soweit meine Gedankenanregung.
Ich suche keine Trigger mehr, ich reduziere Stress, wo ich es für nötig halte, und kenne meine Vorwarnzeichen. Halte ich für sehr viel wichtiger und effizienter. Ich war ehrlich gesagt überrascht, dass die Wissenschaft inzwischen auch schon auf den Dreh gekommen ist, das mal intensiver zu erforschen... Neue Techniken machen's möglich....

LG,
M.



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 04.12.18 08:43.
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Mythos "Trigger": Denkanstoß

zyklothym 1851 04. 12. 2018 08:27

Re: Mythos "Trigger": Denkanstoß

zyklothym 598 04. 12. 2018 08:38

Re: Mythos "Trigger": Denkanstoß

Ceily 535 06. 12. 2018 09:55

Re: Mythos "Trigger": Denkanstoß

Mania67 467 06. 12. 2018 11:17

Alleine und hilflos!

dry 457 06. 12. 2018 16:06

Re: Mythos "Trigger": Denkanstoß

zyklothym 408 06. 12. 2018 22:47

Re: Mythos "Trigger": Denkanstoß

Mania67 562 07. 12. 2018 06:43

Re: Mythos "Trigger": Denkanstoß

zyklothym 380 07. 12. 2018 08:10

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Ceily 369 07. 12. 2018 09:20

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Mania67 518 07. 12. 2018 13:34

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Mania67 326 07. 12. 2018 13:28

Re: Mythos "Trigger": Denkanstoß

Friday 459 06. 12. 2018 16:27

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texorak 410 06. 12. 2018 16:51

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zyklothym 446 06. 12. 2018 21:24

Re: Mythos "Trigger": Denkanstoß

MadameX 557 06. 12. 2018 17:34

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zyklothym 404 06. 12. 2018 23:08

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MadameX 380 07. 12. 2018 21:14

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zyklothym 373 13. 12. 2018 16:48

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tschitta 436 06. 12. 2018 23:04

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nebulos 390 13. 12. 2018 22:24

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Brickman 335 16. 12. 2018 14:31

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Friday 434 16. 12. 2018 22:04

Re: Mythos "Trigger": Denkanstoß

zyklothym 378 29. 12. 2018 21:56

Auslöser wichtig zu kennen

nebulos 505 29. 12. 2018 22:07



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