Sue.
12. 08. 2002 22:15
Hi Forum,

ich fand folgendes Kapitel aus dem Buch "Alles genetisch?" von Bertrand Jordan, rotbuch verlag 2001, sehr interessant, und hab mal 3 von insgesamt 7 Seiten davon abgetippt -


Höhen und Tiefen - die Geschichte der manischen Depression


Die Genetik der psychischen Krankheiten hat ihren eigentlichen Aufschwung im Verlauf der achtziger Jahre erlebt - zumindest auf der Ebene der Forschung, des Gedankenaustauschs auf Kongressen und der Artikel in Fachzeitschriften. Gesicherte Ergebnisse gab es allerdings nur sehr wenige. Eher eine Mode, ein zweifellos verfrühter und mit Sicherheit naiver Versuch, auf diese Krankheiten ein Schema anzuwenden, das sich bei der Myopathie, bei der Mukoviszidose oder der Chorea Huntington so erfolgreich bewährt hatte. Es war gewiss verlockend, Krankheiten, die ebenso komplex wie geheimnisvoll sind, mit den Methoden der reversen Genetik zu untersuchen.
Die Schizophrenie und die manisch-depressive Psychose stellen für die öffentliche Gesundheit indessen recht große Probleme dar. An beiden Krankheiten leidet vermutlich jeweils ein Prozent der Bevölkerung. Die Rolle der Vererbung ist allgemein anerkannt, wenigstens für die Genforscher und die Mehrheit der Psychiater. Die Psychoanalytiker wiederum sind ganz anderer Ansicht: Was durchaus einleuchtet bei den Vertretern einer Disziplin, die auf der Hypothese gründet, dass Ereignisse der frühen kindheit und der persönlichen Lebensgeschichte vorrangig prägend sind.

In der Tat gibt es Familien und einige isolierte und homogene Bevölkerungsgruppen wie die Amish in den Vereinigten Staaten, bei denen die manisch-depressive Psychose sehr verbreitet ist, ja, mitunter eine von fünf oder sechs Personen darunter leidet. Da die Angehörigen dieser Gruppen ein sehr ähnliches Erbgut aufweisen, wird diese Tatsache oft als Argument zugunsten eines erblichen Determinismus benutzt. Einer solchen Argumentation muß man mit Vorsicht begegnen: Ein manisch-depressiver Elternteil kann ein Umfeld erzeugen, das die Entwicklung von ähnlichen pathologischen Erscheinungen bei seinen Kindern begünstigt, ohne dass Vererbung im Spiel sein muß. Im Falle der Amish bietet die außergewöhnlich strenge Kultur dieser puritanischen Gemeinschaft, die freiwillig unter den Bedingungen des 19. Jahrhunderts lebt, eine besonders verführerische Erklärung im Sinne der ?Umwelteinflüsse?.

Die Position, die der Vererbung eine entscheidende Rolle zuweist, stützt sich in erster Linie auf spezielle Familienstudien, und das beste Instrument in dieser Hinsicht ist der Vergleich zwischen echten und zweieiigen Zwillingen. Zweieiige Zwillinge, die aus zwei gleichzeitig befruchteten Eiern stammen, sind im gleichen Grad mitetnander verwandt wie Brüder und Schwestern, nicht mehr; echte Zwillinge dagegen, die aus der Zweiteilung eines einzigen Embryos stammen, besitzen exakt die identische genetische Ausstattung, wenigstens bis zur Geburt. Folglich liegt die Konkordanz zwischen echten Zwillingen etwa bei 50 Prozent, das bedeutet, dass der Zwilling eines Kranken mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu zwei ebenfalls erkrankt. Bei zweieiigen Zwillingen hingegen liegt diese Wahrscheinlichkeit nur bei 10 Prozent, also in der Nähe der Zahl, die man bei Angehörigen der gleichen Geschwistergeneration beobachtet. Es scheint demnach ganz so, als ob in diesem Fall ?sowieso alles gleich ist? - oder fast, wie wir später sehen werden. Der Unterschied bei echten Zwillingen hingegen zeigt einen Einfluss der Erbinformationen auf die Neigung zur manisch-depressiven Psychose.

Räumen wir also ein, daß Vererbung eine Rolle spielt und daß es ein für diese Krankheit verantwortliches Gen gibt. Warum der Versuch, es zu identifizieren? In welcher Weise kann das für die Kranken vorteilhaft sein? Handelt es sich hierbei nicht eher um eine Neugierde ohne wirkliche wissenschaftliche oder medizinische Rechtfertigung? Die Frage wird zu Recht gestellt, und es wäre gut, wenn das öfter geschähe!

Klären wir zunächst das Ziel: Im Falle eines Erfolgs wird das identifizierte Gen nicht ?das Gen für die manisch-depressive Psychose? sein. Das Ergebnis einer von Erfolg gekrönten Untersuchung, die die Etappe der Lokalisierung und dann die der Identifizierung genommen hat, würde auf ein bei jedem von uns vorhandenes Gen hinweisen, bei dem gewisse Varianten (gewisse Allele) ihrem Träger eine erhöhte Disposition für die Psychose, ein relatives Risiko zum Beispiel von 10 Prozent verleihen. Diese Zahl, die Maßeinheit für die Disposition, würde Folgendes bedeuten: Wenn die Gefahr, im Lauf des Lebens eine manisch-depressive Episode zu erleben, in der Gesamtbevölkerung durchschnittlich bei einem Prozent liegt, steigt sie bei Trägern des entsprechenden Allels auf 10 Prozent an - wobei die Mehrheit von ihnen (90 Prozent) dennoch verschont bleiben würde.

Die Bedeutung der potentiellen Nützlichkeit solcher Arbeiten stehen außer Frage. Zuallererst würde der Nachweis eines eindeutigen Zusammenhangs und, mehr noch, die Identifizierung eines bei den erkrankten Personen durchweg mutierten Gens unanfechtbar beweisen, dass Vererbung für den Ausbruch dieser Krankheit eine Rolle spielt. Damit wäre der Einfluss der Umwelt oder der persönlichen Lebensgeschichte überhaupt nicht ausgeschlossen, doch würde dieser Beweis mit gewissen Verrücktheiten aufräumen, von denen die Antipsychiatrie der siebziger Jahre anschauliche Beispiele geliefert hat - manchmal mit katastrophalen Folgen für die Kranken.
Außerdem könnte die Beschaffenheit des Gens Aufschluss über die Ätiologie der Krankheit geben. Nehmen wir zum Beispiel an, dass die Entschlüsselung des betreffenden DNA-Abschnitts, die Analyse des Proteins, dessen
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jetzt tun mir die Finger weh - weiß ja auch nicht, obs überhaupt von Interesse für euch ist,
mach also mittendrin erstmal Schluß.

Sue
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alles genetisch?

Sue. 730 12. 08. 2002 22:15

Re: alles genetisch?

Gisela 232 12. 08. 2002 23:44

Re: alles genetisch?

Seaangel 246 13. 08. 2002 09:56

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W.G. 260 13. 08. 2002 10:25

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Torsten 228 13. 08. 2002 19:29

Re: alles genetisch?-Ne alles nicht-aber vieles

W.G. 235 14. 08. 2002 01:59

Re: alles genetisch?-Ne alles nicht-aber vieles

Torsten 297 14. 08. 2002 19:40

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W.G. 351 15. 08. 2002 08:45

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Warrior 230 14. 08. 2002 07:42

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Silvia 268 14. 08. 2002 18:30

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Gaby 277 14. 08. 2002 23:55

Re: alles genetisch?

W.G. 281 14. 08. 2002 23:58



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