„Arschlochcharakter“ - Versuch einer Begriffsdeutung

02. 12. 2018 07:44
Seit ich diesen Beitrag lesen musste, beschäftige ich mich mit der Frage: Was, bitte, ist ein „Arschlochcharakter“?

Ich interessiere mich grundsätzlich sehr für Sprache und nehme Worte sehr genau. Wenn ein neues Wort meinen Weg kreuzt, denke ich so lange darüber nach, bis ich es einordnen kann. Das fällt mir in diesem Fall merkwürdig schwer.

In dem in seiner Gesamtheit und in seiner Haltung sehr bemerkenswerten, direkt an mich gerichteten Beitrag eines mir nur sehr flüchtig bekannten Users dieses Forums wird mir freundlicherweise die Wahl zwischen zwei Begriffen gelassen, immerhin. Der eine heißt „psychisch schwer krank“ und damit wohl nicht verantwortlich zu machen für eine saftigere Ausdrucksweise, für einen anderen Auftritt als man von mir über lange Zeit gewohnt war, für ein doch recht stark verändertes äußeres Erscheinungsbild und nicht zuletzt für das dringend notwendige Streuen von verbalem Salz in diverse, schon seit geraumer Zeit schwärende Wunden. Der andere ist eben dieser ominöse, mir bis vor kurzem völlig fremde „Arschlochcharakter“.

Eine dritte Option wird gar nicht in Erwägung gezogen. Es könnte ja sein - rein theoretisch natürlich! - dass ich weder krank noch ein Arschloch bin, sondern es nur wage, ohne Rücksicht auf akademische Titel und hohe Funktionen diverse Wahrheiten und ernüchternde Erkenntnisse anzusprechen und deshalb in Bausch und Bogen verurteilt und fast genüsslich in den Boden gestampft werde, mitsamt meiner Errungenschaften der letzten zehn Jahre, für die mir tatsächlich auch etliche Male uneingeschränktes Lob zuteil wurde. Ist eventuell das Undenkbare möglich, dass auch Leute mit großen Titeln wie „Professor“, „Doktor“ und „Klinikdirektor“ sich vielleicht einmal irren können? Was sie natürlich niemals zugeben würden, denn dann wäre ja ihr Absolutheitsanspruch und ihre geradezu päpstliche Unfehlbarkeit infrage gestellt. Nimbus, Nimbus, ick hör dir trapsen! Das Eis ist an manchen Stellen schon sehr dünn, habe ich festgestellt.

Hm.

Da ich weiß, dass ich zwar verändert, aber deshalb nicht automatisch krank bin, (was erfreulicherweise mehr und mehr Mitmenschen dämmert, aber beileibe nicht allen meiner „Bekannten“), bleibt nur noch die andere Option, ein Begriff, der mich offenbar in meiner Ganzheit beschreiben soll: „Arschlochcharakter.“

Was will uns der Erfinder dieses schönen Wortes sagen? Und warum geht er nicht den geraden Weg und nennt mich frei heraus „Arschloch“? Er darf das offenbar formulieren, wie es ihm passt, denn das A-Charakterwort steht immer noch unkorrigiert oder gar zensiert, also wegeditiert im Forum und wird da vermutlich auch stehen bleiben. Genau wie so manches andere, was über mich gesagt wurde, hier, in den einstmals sehr vertrauten Gefilden eines Forums, das eigentlich dazu dienen sollte, sich gegenseitig zu stützen, zu beraten, Erfahrungen auszutauschen und die großartige Möglichkeit bietet, aus den Erfahrungen anderer zu lernen. So wie ich es auch gemacht habe, und ich bin immer noch dankbar dafür.

Bin ich vom Charakter her ein Arschloch? Schwer zu sagen. Ich denke, eher nicht. Sehr vielen anderen, die mich weit besser kennen als der Urheber des genannten Postings, würde dieses Wort nicht einfallen, wenn sie an mich denken. Ich weiß, ich kann nicht bestimmen, was andere über mich denken. Will ich ja auch gar nicht. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Meinungsfreiheit als hohes Gut gilt, da muss man so etwas wohl einfach aushalten. Ganz egal, wie wundgedroschen man sowieso schon ist.

Glücklicherweise habe ich im Verlauf der sogenannten „Krise“ der DGBS eine recht dicke Hornhaut auf der Seele bekommen - ein sehr willkommener und dringend notwendiger Selbstschutz. Deshalb gehen mir solche Zuordnungen, die meine Person betreffen, mittlerweile am Arsch vorbei. Man könnte auch sagen, am Arschloch vorbei, denn um dieses ungeliebte, aber gar nicht unwichtige Detail unseres Körpers dreht sich ja dieser neue Baum.

Ich finde, das Arschloch hat völlig zu unrecht so einen schlechten Ruf. Man stelle sich nur einmal vor, wir hätten keines! Wir würden sehr schnell an unserer eigenen Scheiße krepieren, sie würde uns im Endstadium sogar aus dem Mund quellen. Eine widerliche Vorstellung. Wir sollten also unsere negative Haltung dieser Körperöffnung gegenüber grundsätzlich überdenken, sie sogar im Gegenteil lobpreisen und wertschätzen. Einen globalen „Tag des Arschlochs“ ausrufen, an dem wir mindestens einmal ganz bewusst scheißen und uns freuen, dass da unten ein Loch ist, durch das wir unsere nicht verwertbaren Nahrungsreste ausscheiden dürfen.

Sprache ist faszinierend und voller Geheimnisse! Ich frage mich manchmal, wieso die Deutschen verbal so in der analen Phase stecken geblieben sind. „Scheiße“ ist das Wort der Wahl im Deutschen, wenn etwas schiefgelaufen ist. „Arschloch“ ist hier eines der beliebtesten und sehr häufig angewandten Schimpfwörter. Zitat Joschka Fischer, vor vielen Jahren im deutschen Bundestag an den Präsidenten desselben gerichtet: „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!“ - Und er kam durch damit, tatsächlich!

Englischsprachige Erdbewohner sagen schon auch ab und zu „Shit“, wenn etwas misslingt. Eher aber rutscht diesen Zeitgenossen ein trockenes „Fuck!“ über die Lippen. Die Angelsachsen sind beim Schimpfen und Fluchen viel sexueller orientiert als die Deutschsprachler. Eine Frau, die im Deutschen beleidigt und verbal entehrt werden soll, wird „Schlampe“, „Schnalle“, „blöde Kuh“, „dumme Ziege“ etc. genannt. Das Englische bevorzugt alles, was dem Bereich der Sexualität entstammt. „Bitch“ oder „Cunt“ trifft man im Fall der beschimpften Frau öfter mal an. Gerne auch mal mit dem entsprechenden Verb, hier also etwa „fucking cunt“ oder ähnliches. Im Deutschen undenkbar, eine Person als „fickende Möse“ zu bezeichnen.

„Bloody cunt“ wird ebenfalls gerne verwendet für ungeliebte Frauen, seltsamerweise ist aber das männliche Pendant zu einem blutigen Geschlechtsteil („bloody prick“) überhaupt nicht gestattet. Das ruft Ekel und Entsetzen hervor. Denkt man dabei an Menstrationsblut? Und ist das so schlimm? Rätsel über Rätsel.

Nennen wir das Kind doch beim Namen, ohne Drumrumreden oder einer versuchten Abschwächung durch einen merkwürdigen und seltsam unpassenden Zusatz wie „Charakter“: Man sage einfach „Arschloch“ und die Saxche ist klar und deutlich. Wieso wird mir der Charakter eines Arschlochs unterstellt und nicht einfach gesagt: „Ich finde, du bist ein Arschloch“? Oder, noch direkter: „Du bist einfach ein Arschloch!“ Das wäre gradlinig, unzweideutig, ehrlich. Aber so...

Einen „Arschlochcharakter“ soll ich also haben. Aha. Interessant!

Hier muss zunächst eine grundsätzliche Frage geklärt werden: Ist nun der Charakter ein Arschloch oder geht es um den Charakter eines Arschlochs? Und wenn Letzteres, wie unterscheiden sich Arschlöcher in ihren Charaktereigenschaften? Gibt es auch Charakterarschlöcher? Sind manche vielleicht verkniffener als andere, verkrampfter, verschlossener als der durchschnittliche Schließmuskel, wiederum andere dagegen offener, empfänglicher und lockerer?

Ich gebe zu, bisher habe ich noch nicht viele Arschlöcher auf ihren Charakter hin untersucht. So viele habe ich auch noch gar nicht gesehen. In meinen fünf Jahren als Hausmann die meiner beiden Kinder sicher am häufigsten, bei der mehrmals täglichen Entfernung der Fäkalien in der Windel und dem damit verbundenen Großreinemachen „untenrum“. Auf einen Charakter habe ich dabei weniger geachtet, ich gebe es zu. Ein Fehler aus heutiger Sicht?

Machen wir uns doch nichts vor! Wenn man von bestimmten sexuellen Praktiken absieht, hat ein Arschloch nur eine einzige biologische Aufgabe: Es entlässt nichts als Scheiße in die Welt, manchmal auch etwas heiße Luft. Wenn man jemanden also mit dem Prädikat „Arschloch“ auszeichnet, heißt das nichts anderes als „Aus dir kommt doch nur Scheiße.“

Das zumindest kann ich für meine Person eindeutig wiederlegen. Aus mir kommt auch noch eine ganze Menge Musik, und das nicht die schlechteste, wenn ich den vielen Likes und den knapp 5.000 Facebook-„Freunden“ aus aller Welt glauben darf. Das tue ich jetzt einfach einmal, ganz unbescheiden zur Abwechslung. Fällt nicht einmal schwer, denn ich höre ja selbst ganz gern, was da an Sounds aus meinen Fingern, diversen Saiten und meinen Stimmbändern kommt.

Ich merke schon, irgendwie komme ich nicht so recht weiter in meinen ethymologischen Überlegungen. Vielleicht hilft mir die nette Forumsgemeinde bei der Wahrheitsfindung? Bin ich eine ansehnliche Rosette oder eine hämorrhoidenstarrende Zumutung? Bin ich manchmal braun und stinke und dann wieder rosarot, sauber und makellos, keinerlei Gerüche verströmend? Bin ich meistens verschlossen und nur ab und zu offen? Was ist mit der Inkontinenz? Kann ich mich manchmal einfach nicht mehr verschließen, wenn der Druck zu groß wird, und muss dann etwas absondern, was die meisten nicht gerne sehen und riechen, weil es sie anekelt oder weil sie einfach mit so etwas nichts zu tun haben möchten - obwohl sie selber genauso Scheiße produzieren wie alle Lebewesen, ausgenommen die Pflanzenwelt? Die löst das Entsorgungsproblem ja irgendwie anders.

Eine Frage sei hier noch gestattet, auch wenn sie ein wenig vom Thema abweicht: War es nicht einmal so, dass in diesem Forum dermaßen herbe Beschimpfungen editiert und mit Sanktionen geahndet wurden? Ich erinnere mich dunkel. Ebenso sind Ferndiagnosen eigentlich nicht zulässig hier. Tja! „Eigentlich“ ist so ein Wort. Es besagt, dass normalerweise etwas so oder so ist, aber in der Realität etwas ganz anderes gilt. So offensichtlich auch hier. Das Leben ist voller Wunder, Überraschungen und Ungereimtheiten. - Vielleicht liebe ich es deshalb so sehr?

Jedenfalls scheinen speziell bei meiner Person ansonsten eherne Regeln des Forums nicht zu greifen. So wird mein realer Name nur unter deutlichem Murren aus diversen Posings entfernt und dies auch nur nach konkreter Aufforderung, als sei es eine Zumutung, wenn auch ich auf dem hier normalerweise und in den Teilnahmebedingungen dieses Forums deutlich formulierten, sehr hoch gehaltenen Recht der Anonymität bestehe. Bin ich, nur weil ich mich, mein Gesicht, meine Musik zum Thema, meine Lebensgeschichte und auch meinen Taufnamen über lange Zeit öffentlich gemacht habe, weil ich „der Sache“ dienen und ihr nutzen wollte, nicht mehr so schützenswert wie andere, die sich und ihre Privatheit vor zu viel Öffentlichkeit bewahren möchten? Es wäre nett, wenn jemand von den Forumszuständigen mir das einmal erläutern und begründen würde. Aber da kann ich vermutlich sehr lange warten. Auf eine Entschuldigung sowieso, das ist mir klar.

Wieso sollte man sich auch entschuldigen?

Ich bin wohl doch nur das eine: Ein Arschloch mit einem Arschlochcharakter.

Danke für diese Erkenntnis.

Sagt der blaue Elefant M. - und wünscht euch einen sauberen, ja unbefleckten Sonntag.



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 02.12.18 07:52.
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Namenlos 3036 02. 12. 2018 07:44

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zuma 753 02. 12. 2018 09:51

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Aradia 678 02. 12. 2018 10:12

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A20213 811 02. 12. 2018 11:00

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Namenlos 986 02. 12. 2018 15:57

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Aradia 728 04. 12. 2018 01:43

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zuma 758 04. 12. 2018 09:08

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zuma 726 05. 12. 2018 12:41

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Namenlos 875 05. 12. 2018 15:23

alles menschlich..

tschitta 1476 07. 12. 2018 13:34

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Ceily 634 06. 12. 2018 10:03

Re: „Arschlochcharakter“ - Versuch einer Begriffsdeutung

Ceily 772 06. 12. 2018 10:14



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