Ich war als Kind sehr empfindlich, ängstlich und "menschenscheu". Bereits in der ersten Klasse. Das war also angeboren. Das hat sehr stark überbehütendes Verhalten meiner Mutter, Sticheleien meiner vier Geschwister und Mobbing in der Schule irgendwo provoziert. Sodass meine ursprüngliche vorhandenen Eigenschaften und die dadurch bedingten Umwelteinflüsse sich irgendwo gegenseitig aufrecht erhalten haben. So im sechszehnten, siebzehnten Lebensjahr hatte ich durch diesen Hintergrund erstmals starke Suizidtendenzen. Was denke ich das Ergebnis des Wechselspiels zwischen eigener Empfindlichkeit und Abwertungen durch die Umwelt war. Diese beiden Faktoren haben sich im Verlauf der Zeit bis zu diesem Zeitpunkt gegenseitig hochgeschaukelt.
Heute bin ich 34 Jahre alt. Wenn ich die Entwicklung seither betrachte, bin ich irgendwo in einem gewissen Ausmaß empfindlich geblieben. Es ist sehr schwankend. Erfahrungsgemäß hängt es am stärksten damit zusammen, mit was ich mich aktuell befasse. Habe ich ein Ziel, auf das ich hinarbeite und bei dessen Verfolgung ich Erfolgserlebnisse habe, kann ich ganz schön unempfindlich gegenüber Umwelteinflüssen sein. In Zeiten, in denen ich eher so ziellos in den Tag hinein lebte, ohne grad irgend na bestimmten größeren Sache nachzugehen, war ich immer besonders empfindlich dafür, von Erinnerungen, äußeren Einflüssen oder dem Zusammenspiel von beidem in ne Depression, Manie oder Psychose reingerissen zu werden (Wobei manische und psychotische Symptome bei mir immer Hand in Hand miteinander gehen).
Womit ich mich sehr schwer tue, ist die teils kursierende Vorstellung, dass Gehirn sei einfach auf eine gewisse Art und Weise "verdrahtet", man habe eine gewisse unverrückbare Disposition oder es gäbe unheilbare Diagnosen. Der Umstand, dass es zwar in vielen, aber nicht allen Fällen schlechte Verläufe gibt, zeigt mir, dass es irgendwo ne Chance gibt. Und ich denke, der langfristige Verlauf ist davon abhängig, wie man an sich arbeitet, wie man sich seiner Umwelt gegenüber verhält und mit welcher sozialen Umwelt man in einer Wechselbeziehung steht.