Hallo Diesel,
ich kenne selbst auch dieses Mißverständnis. Manchmal denke ich, müsste es einen Führer durch den Dschungel der Psychiatrielandschaft geben, um einigen Mißverständnissen ausweichen zu können, bzw. um nicht wertvolle Zeit zu verlieren.
Es wird vielleicht nicht nur mir so gegangen sein, als ich Anfang 2002/2003 ebenso dachte, ich gehe in die Klinik, bekomme da die richtigen Therapien und komme hoffentlich weitestgehend gesund wieder heraus und kann mein Leben wieder soweit fortsetzen.
Leider war das zu naiv gedacht von mir, wie ich erst später feststellen konnte. Die Klinik ist nur dazu da (und dies leider oft auch unzurreichend), einen Menschen, der gerade kaum fähig ist, seinen Alltag zu leben, soweit wieder herzustellen, dass dieser ein Mindestmaß an "Selbständigkeit" wieder hinbekommt.
Kurz gesagt, wer aus der Klinik kommt ist noch lange nicht gesund, sondern nur soweit fit, dass er (hoffentlich) selbständig jetzt ambulante Hilfen aufsuchen kann. Die ambulante Hilfe ist es dann eher, die als Langzeitunterstützung gedacht ist und hier sollen Möglichkeiten geschaffen werden, dass ein Mensch in einem längeren Prozess Stück für Stück wieder in die Selbständigkeit zurückfinden kann.
Das sagt einem aber keiner und es steht natürlich auch nirgendswo, jeder darf es dann über die eigene "Erfahrung" erkennen.
Ein zweites Problem spielt damit rein. Der Pflegenotstand und die Ökonomisierung des Gesundheitssystems. Man muss einfach wissen, dass ein Klinikaufenthalt die teuerste Intervention überhaupt ist und das Krankenkassen natürlich den Aufenthalt in einer Solchen so kurz wie möglich halten wollen.
Ambulant geht also immer über Stationär.
Dies bedeutet für den Einzelnen. In der Klinik wird nur im "Hier und Jetzt" gearbeitet, die haben dort keine Zeit für eine ausführliche Therapie, die all die Lebensumstände der Vergangenheiten mit berücksichtigt. Dies soll in ambulaten Therapien erfolgen.
Je nach dem welche Therapieform man sich dann aussucht, werden dann auch die Lebensereignisse mit berücksichtigt. Es ist nur schade, dass dies in den Kliniken nicht generell auch so kommuniziert wird. Leider gehört es für viele Kliniken noch nicht zum Standard, eine Art Abschiedsphase zu etablieren, wo all diese Schritte noch innerhalb des Klinikaufenthaltes angestoßen werden. Also sprich, wie soll es nach der Klinik weitergehen. Was wäre für mich die richtige Therapieform, wo finde ich Ansprechpartner, was mache ich, wenn zur Zeit kein Platz frei ist, welche Hilfen stehen mir noch zur Verfügung, etc. pp.
Aber grundsätzlich kann ich aus eigener Erfahrung sagen, wer wirklich eine Therapie machen möchte, muss im ambulanten Bereich nach einem Platz suchen. Kliniken, bis auf wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel Traumatherapiestationen, sind nicht die Orte, wo Therapien für langfristige Ziele angeboten werden, sonder nur Orte, wo eine kurze Intervention das Gröbste und Schlimmste versucht zu behandeln, mit wenig Geld und ebenso wenigem Personal.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 10.03.18 17:20.
