Hallo Zusammen,

ich beschäftige mich gerade mit dem Thema "Kriegsenkel". Das sind die Leute, die in den 60er Jahren oder Anfang der 70er Jahren geboren sind.

[de.wikipedia.org]

Hierbei ist die Rede von "„transgenerationale Weitergabe kriegsbedingter Belastungen“.

Auch ich zähle zu den Kriegsenkeln. Ich bezweifele jedoch, dass die auffällige Häufigkeit psychischer Probleme in meiner Generation etwas mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun hat. Ich denke eher, es hat etwas mit der typisch "deutschen Erziehung" (Haltung bewahren, stark sein, Kinder müssen sich anpassen) zu tun. Diese Erziehung gab es zwar auch schon vorher, aber während unsere Eltern sich alle Freiheiten und Grenzenlosigkeiten herausnehmen durften, angetrieben durch Aufbruchsstimmung und diverse Revolutionen, mussten Kinder sich weiterhin an die Bedürfnisse der Eltern anpassen. Diesen Bedürfnissen wurden in zügellosen Ausmaße nachgegangen. Wir Kinder hatten aber weiterhin das zu tun, was die Eltern verlangten. Wir Kinder der Nachkriegsgeneration mussten beispiellose Bigotterie und Doppelmoral erdulden. Während überall über sexuelle Freiheit gesprochen wurde, im Fernsehen ständig nackte Frauen herumtanzten, Schmuddelheftchen in den Wohnzimmern herumlagen, wurden Kindern eigene sexuelle Erlebnisse verwehrt. Während die Eltern sich alles leisteten, was das Herz (oder besser gesagt die Gier) begehrte, mussten die Kinder auf Selbstentfaltung verzichten. Ausbeutung der Natur, das Hochtreiben von Grundstückspreisen, Umweltzerstörung taten ihr übrigens. Keine Rede davon, etwas für die Kinder zu bewahren. Es galt, die Kinder auf ein Minimum zu reduzieren, damit ja genug übrig blieb, um den eigenen Gelüsten zu fröhnen. Kinder hatten sich zurückzunehmen. So erging es mir jedenfalls, meine Schwester ist ebenfalls meiner Ansicht, obwohl sie es als die Jüngere noch besser als ich hatte. Beide sind wir so früh wie möglich vom Elternhaus geflüchtet.

Traumatische Kriegserlebnisse hatten meiner Meinung nach wenig damit zu tun, dass die Kinder unter der Erziehung ihrer Eltern leiden mussten. Im Gegenteil finde ich, dass meine Großeltern weitaus "menschlicher" und mitfühlender waren als meine Eltern. Ach ja: was besonders schlimm war, war die Tendenz meiner Mutter, ständig darauf zu achten, was die Nachbarn denken könnten. Das hatte teilweise groteske Züge angenommen.

So, das wollte ich mal loswerden. Denn das beschäftigt mich arg. Übrigens habe ich jetzt den Eindruck, dass aus den Erwachsenen von damals oft alte verbittere Leute geworden sind, die ihr Altern einfach nicht akzeptieren können. Die Generation meiner Großeltern habe ich als viel liebevoller in Erinnerung.

Liebe Grüße,
Ceily



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 30.09.17 11:02.