Och, rechtfertige dich doch nicht. Ist dein Leben. Wie lange hast du deiner Meinung nach die Erkrankung schon?
Ich denke nämlich, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen Leuten, die immer schon irgendwie bipolar waren, zu denen ich mich dazu zähle und denen, die es erst irgendwann im Erwachsenenalter erwischt.
Ich bin an bipolar gewöhnt und kenn es nicht anders und will es inzwischen auch nicht mehr anders, in meinem Rahmen. Was der Rahmen ist, das muss jeder selber wissen. Ich war mal eine Zeitlang "super" eingestellt, ich konnte sogar Verabredungen treffen und einhalten und ging zu Kaffeekränzchen (!!!!), bei denen ich dann feststellen durfte, dass ich da gar nichts, aber sowas von gar nichts verpasse. Und ich war mir selber dermaßen fremd dabei, dass ich die Medikamente wieder ausschlich und jetzt nur noch ein Bedarfsmedi nehme. Drei-viermal im Jahr für wenige Tage.
Wer im Erwachsenenalter erst erkrankt, der hat sich vorher vielleicht in einem normalen Leben eingerichtet, den bedroht und erschüttert die Psychose viel mehr, als jemanden wie mich, die ich praktisch die Pubertät psychotisch erlebt habe und von Suizidgedanken sozialisiert worden bin.
Diese Leute wollen natürlich ihr altes, "normales" Leben partout zurück und das ist ja auch verständlich.
Genauso wenig, wie ich mir vorstellen könnte, ein Leben mit regelmäßigen Kaffeekränzchen und am Wochenende Grillen mit "Freunden" (dazu müsste ich erstmal Freunde haben, die sich untereinander nicht spinnefeind sind...) und ganz ohne alltagspsychotische Aktivitäten meines sexy Gehirns vorstellen kann, können sich andere das vorstellen, was ich mache: wieder jede Empfehlung in einem stressigen Job mit chaotischem Schichtplan zu arbeiten, regelmäßig Cannabis zu mir nehmen, mir erstmal ein paar Tage ankucken, wie es sich entwickelt, bevor ich mein Bedarfsmedi nehme und ansonsten einen Scheiss drauf zu geben, was andere von mir denken und mich manchmal mit Wonne in irgendeine spinnerte, der Hypomanie entsprungene Idee reinzusteigern. Ich befrage auch manchmal Tarotkarten nach meinem Schicksal. Ich glaube fest an Seelenpartnerschaft - dass ich selber genau weiss, dass es Co-Abhängigkeit ist, tut meinem Empfinden dabei keinen Abbruch, ich kann das aushalten in meinem Kopf. Ich glaube, ich kann extrem viel nebeneinander aushalten in meinem Kopf, wo andere wissen wollen: Aber was ist denn nun richtig!?!? Jemand muss doch Recht haben, etwas muss falsch und etwas richtig sein... pff. Das interessiert mich nicht, ich kann im Kopf die Spuren wechseln. Nur, wenn ich keinen Einfluss mehr auf diesen Spurwechsel hab, dann brauch ich Medis.
Hat womöglich auch was mit Intelligenz und daraus resultierender "Hellsichtigkeit" zu tun - Stichwort, unterbewusstes, automatisches Analysieren. Aber mit dem Thema setz ich mich jetzt nicht wieder in die Nesseln. Ein Andermal.
Sumosimi
Taat du nee borom djogol, so djoge mu topola.