Ich bin Kriegsurenkel, denn bei uns haben alle mit ca. 20 Jahren Kinder bekommen. Uroma 1910 geboren, Opa 1931, Mama 1950 und ich 1970( meine Tochter 2007 hihi). Meine Uroma hat früher immer über den Krieg erzählt, wie sie heimlich Schweine geschlachtet habe, Flüchtlinge beherbergt haben......als Kind fand ich die Geschichten zum Einschlafen immer spannend. Ein Engel hing über Omas Ehebett(Uropa früh gestorben), wie beteten jeden Abend und dann schlief ich ein. Ohne meine Uroma wär ich vielleicht schon früher ein psychischer Krüppel geworden, aber sie liebte mich und kümmerte sich super um mich. Ich habe sehr getrauert als sie starb, da war ich 19. In den Ferien war ich immer bei Oma (mütterlicherseits). Bis heute kann ich nicht glauben, dass die beiden verwandt waren, denn sie war eine Bilderbuchoma. Später mussten dann die Mütter meiner Freundinnen als Ersatzmutter herhalten. Die logen oft für mich, wenn meine Mutter anrief, dass es wieder Arbeit für mich gäbe.
Meine Mutter hatte wohl früher keine Ahnung von Verhütung, wurde schwanger mit mir. Als Kind und Teeanger fühlte ich mich immer schuldig, dass ich ihr Leben durch meine Geburt versaut habe. Sie hat mich aber gleich an Oma und Uroma abgegeben. Gott sei dank, denn ich war auch faul und schlampig. Das war allerdings eine Lüge. Wenn ich als Kind (10 Jahre) krank war - immer wieder Mandelentzündung - durfte ich mir die Pillen einwerfen und musste dann trotzdem noch 25 Kilosäcke mit Kartoffeln abpacken. Ich war für Haushalt, Essen kochen und meinen Bruder zuständig. Viele Jahre habe ich geglaubt, dass sie mich sehr hassen muss, um mir das alles aufzubürden. Heute denke ich, sie war überfordert. Meine Krankheit kann und konnte sie nicht akzeptieren, hat sich wahnsinnig geschämt. Sie wollte nie das Krankenhausgelände ( insgesamt war ich 2 mal ca. 1 Jahr stationär) mit mir verlassen. Bei einem Familiengespräche hat sie sich so daneben benommen, dass es nach 15 Minuten abgebrochen wurde. Nach meiner zweiten Episode war ich noch einige Zeit in ihrer Wohngegend. Und immer wenn ich sie sah, zog sich mein Magen dermassen zusammen, dass ich räumlich weit auf Abstand ging. Damals von Norddeutschland nach Spanien. Sie lebt immer noch im Norden und ich in Bayern.
Als ich aus Spanien zurückkam, habe ich sie dann doch einmal mit meiner Tochter besucht. Ich dachte, wir können vielleicht meiner Tochter zuliebe nochmal bei Null anfangen. Sie fragte immer nach ihrer Oma. Aber als ich in ihr Haus kam, war das so beklemmend. Das ich zu dem Schluss gekommen bin, einfach weiterzuleben - ohne meine Mutter. Da sie selbst nie Interesse bekundet hat an einer "Familienzusammführung" - fahre ich wahrscheinlich so besser und lebe meine Leben wie bisher. Ich liebe meine Tochter und kann ihr das auch zeigen. All die Liebe, Wärme und Zärtlichkeit, die ich nie erfahren haben, gebe ich voller Hingabe an meine Tochter. Ich mag mir keine Gedanken mehr darüber machen, warum, wieso, weshalb meine Mutter so ist wie sie ist. Nach der ersten Episode hat sie ziemlich schnell die Segel gestrichen und meine Freunde haben sich einen richtigen Wochenplan gemacht, wer mich wann besucht. Das war beim zweiten Mal genauso, wenn meine Freunde anriefen und meine Mutter oder meinen Bruder um Hilfe baten, war der Anrufbeantworter dran oder man ging erst gar nicht ran. Ich als Vollblutmutter kann das wirklich nicht nachvollziehen.
Im Frühjahr letzten Jahres bin ich wieder in die Manie gerutscht. Ich rief sie an, weil ich sie wieder besuchen wollte. Ist dann so eine fixe Idee von mir. Sie hat danach tatsächlich die Polizei angerufen und denen gesagt, dass ich mir wohl das Leben nehmen will, denn die kam daraufhin (uniformiert) in meinen Betrieb und fragte mich, ob ich mir das Leben nehmen will :) Ich versuche ihr das als guten Willen zu deuten - aber es wäre besser gewesen, sie hätte sich anders gekümmert oder gar nicht. Meine Mutter ist meine Mutter, sie wird sich nicht ändern und auch nie wirklich mit meiner Krankheit auseinandersetzen, geschweige denn, sie verstehen. Ich kann mit meinen Freunden darüber reden - und das muss reichen. Je öfter ich es sage, merke ich, dass es mir besser geht. So kann man sich auch therapieren.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 27.01.17 10:27.