Haben dem Chef die Meinung gegeigt

03. 06. 2016 14:23
Küchencheffe und ich. Eine geschlagene Stunde haben wir gekeift. Ich hätte vielleicht gar nicht so gekeift, aber nachdem der Chef mit dem Vorwurf eröffnete, mein Gemecker sei an der schlechten Stimmung im Laden schuld und ein Koch habe wegen mir gekündigt - beides ist nicht wahr und wird auch von niemand anderem so wahrgenommen - hatte ich Gelegenheit richtig loszulegen.

Meine Küchenchef habe ich seit Wochen eingebleut, dass er das aushält, wenn ich einen scharfen Ton kriege, weil seine meinen Unmut relativierende Hippiestrategie noch nie was gebracht hat. Und dass ich zwei Zahlen bzgl. unserer Gehälter nennen werde und er das abnicken muss, anstatt in vorauseilendem Entgegenkommen den eigentlichen Kompromiss als Verhandlungsbasis anzubieten.

Der Chef sagte die letzten 45 Minuten gar nichts mehr. Und mein Küchenchef hat tatsächlich mal alles bestätigt, was ich gesagt habe.

Zum Schluss war der zweite Chef noch dabei und der meinte dann, ob man die Gehaltserhöhung nicht noch einen Monat schieben könne. Pff, das hab ich gleich abgeblockt. Wozu? Ich hab lange genug drauf gewartet. Der Küchenchef meinte, bei ihm wäre das okay...

Heute werden sie mir ein Angebot unterbreiten, ich weiss es aber schon, weil der Küchenchef mich informiert hat.
Wir kriegen das, was wir wollten, ich sogar mehr. Und da ich darauf bestanden hab, dass ich das schon ab Juni bekomme, muss der Küchenchef das auch ab Juni bekommen, denn sonst hätte ich diesen Monat mehr als er. Und das geht ja nicht.

Nicht, dass er sich bedankt hätte und gesagt hätte, du hattest Recht, ich hätte eher auf dich hören sollen...

Heute hab ich nochmal ein Chefgespräch. Er wird wahrscheinlich nochmal versuchen, mir eine auf den Deckel zu geben, ich werde sehen, wie ich damit umgehe. Wahrscheinlich werde ich ehrlich sein, wie immer. Wobei ich die Alternative habe, ihm genauso ins Gesicht zu lügen, wie er es mit mir versucht hat. Damit hätte ich wahrscheinlich größeren Erfolg und ich weiss inzwischen, dass ich das kann, wie (ekelhaft) einfach das ist und wie (ekelhaft) gut das funktioniert. Am Ende kriegt das einer mit, wenn ich eine pseudojoviale Show abziehe und findet das ganz toll und ich muss dann drei Stunden duschen danach.
Wenn ich ihm sage, dass er mehr davon hätte, mein Gemecker ernst zu nehmen, als mir zwangsweise Harmonie zu verordnen, was ich mir auch gar nicht gefallen lasse, wird er das so auffassen als solle er nach meiner Pfeife tanzen. Dabei könnte er so davon profitieren, dass ich den Finger so spitz in die Wunde lege. Aber es wird für ihn immer so aussehen, als habe ich die Wunde verursacht. Und das Problem werde ich überall haben.

Seit über einem Jahr weise ich auf die Probleme hin, die auf uns zukommen werden. Hat keinen interessiert, ich störte die Beteiligten in ihrer Ruhe. Jetzt sind die Probleme da. Und, wer ist schuld? Ich natürlich. Hätte ich den Mund gehalten, hätte niemand mitgekriegt, dass es Probleme gibt und alle hätten ihre Ruhe, bis irgendwas in die Luft fliegt. Und dann hätte es wahrscheinlich geheissen, wieso ich nichts gesagt hätte.

Seit einem Jahr und länger weise ich auf die Probleme hin, die auf uns zukommen werden. Vor vier Wochen sahen dann plötzlich die anderen die Probleme auch. Und dachten dann, prima, jetzt spannen wir Sumosimi vor unseren Karren, die regelt das, die ist unser Sprachrohr. Gleich am fünften Tag nach meiner langen Krankschreibung und nach einer 14-Stunden-Schicht und der Aussicht, die nächsten Wochen weder ein Wochenende frei zu haben noch irgendeinen anderen Tag außer Montag und an den Arbeitstagen in zehn Stunden das leisten zu müssen, was sonst zwei Köche in acht Stunden zusammen leisten. Und da kommen die Kellner und verstehen nicht, wieso ich aggressiv werde, wenn sie von mir erwarten, ich solle doch dem Chef ihre Problemchen unterbreiten, aber bloooß nicht übertreiben, denn sooo schlimm seien die Probleme ja auch wieder nicht... wasch uns, aber mach uns nicht nass. Greife du den Chef an, aber er darf hinterher nicht böse auf uns sein. Es muss alles besser werden, aber es darf sich bloß nichts verändern... Als ich gesagt hab, dass ich der Meinung sei, dass auch im Service ein Profi eingestellt werden müsse, keiften sie alle, sie würden keine Diktatur haben wollen. Jetzt erkläre ich denen seit Wochen, was professionelles Arbeiten bedeutet, aber sie sind nicht willens das zu kapieren.

Plötzlich war von Feinheiten und Stellschrauben die Rede und sanfter Revolution und ich hab dann gesagt, dass sie mich alle mal am Arsch lecken können, weil sie mir schon wieder ein Jahr hinterher sind und ich mich vor niemandes Karren spannen lasse, wenn ich nicht einmal die Richtung bestimmen dürfen soll. Ein Jahr lang haben sie mich belächelt und nicht ernst genommen und so getan, als wüssten sie es besser. Und dann wollen sie mich plötzlich vorschubsen und sobald ich die Dinge auf den Punkt gebracht und meinen spitzen Finger in die Wunde gelegt hätte, hätten sie alle die Hände gehoben und mich stehen lassen?

Sie sollen mich nochmal fragen, wenn sie bereit seien, alle zusammen zu kündigen, hab ich gesagt und dass ich nicht verstehe, wieso sie ausgerechnet von mir Unterstützung erwarten, wenn sie andersrum jedwede Kritik abschmettern und sich gegenseitig schönreden, so als sei Kritik von mir generell nicht ernst zu nehmen und als wüssten sie es besser.

Und da fanden sie es auf einmal überhaupt nicht mehr toll, dass ich den Mund aufmache und sind zum Chef gerannt und haben gejammert, ich sei so böse. Haha, denen ging der Arsch auf Grundeis, dass ich kündige und dann hätte die Küche zumachen können und der Laden gleich mit. Was ihnen mehr als bewusst geworden ist, als wir die Küche schon mal tageweise zu hatten wegen Personalmangels. Oder als ich nicht da war und sie mit Aushilfsköchen konfrontiert waren.
Sie haben dann ihre Mütchen zusammengenommen und tatsächlich mit dem Chef geredet und von dem Führung und Struktur eingefordert. Und was macht der? Setzt jedem ein kleines Verantwortungshütchen auf, damit sich jeder wichtig fühlen darf und stillhält und er selber noch weniger zu tun hat! Und diese Leute fallen voll drauf rein!
Ja, sage ich, jetzt habt ihr wieder schön rumgedoktert, veranstaltet damit noch mehr Chaos und wundert euch, wieso ihr noch mehr zu tun habt, anstatt endlich einen Profi zu holen, der euch Ordnung und Struktur reinbringt. Nein, schrien sie, wir wollen keinen Diktator!

Ich kenne das mein ganzes Leben lang. Ich bin es so leid. Aber da ich jetzt weiss, dass es so ist, wie es funktioniert und woher es kommt und dass ich nur sehr, sehr schwer was dran ändern kann, weil ich an mir diesbezüglich nichts ändern will und nichts zu ändern wüsste, komm ich wenigstens mit mir besser klar und kann besser auf meiner Seite stehen. Es passiert mir nichts, wenn ich mich nicht kleinmachen lasse und mich nicht mehr verstelle, nur um für die anderen pflegeleichter zu sein. Die heulen und klappern mit den Zähnen, aber mir passiert nichts, wenn ich nicht darauf eingehe.

Ich weiss, was mein Chef will. Seine Ruhe. Das kann man wollen. Aber dann darf man kein Restaurant haben wollen, das beisst sich. Es sei denn, man stellt einen Profi ein, der die Arbeit für einen macht und das sogar noch besser und effektiver. Ich werde ihm das heute so sagen. Er weiss sowieso, dass ich ihn für stinkend faul halte, das wurde ihm mit Sicherheit schon zugetragen von sich wichtig fühlenden Kellnern, die sich stets bereitwillig bücken, wenn der Chef ihnen was hintenreinschieben will. Zucker oder seinen eigenen Kopf.
Vielleicht beisst er ja an, wenn ich ihm den Köder "deine Ruhe" vor die Nase halte. Wenn nicht, ist es mir auch egal. Ich bin grade in dem Modus, abzuwarten. Hoffnung hab ich wenig und Köche suchen grade alle.

Übrigens hab ich meine Theorieprüfung mit einer 1,5 bestanden. Besser als mein Küchenchef und besser als ich erwartet hätte. Technologie (da geht es ums Kochen, Rezepte, Temperaturen, Zubereitungen, Hygienevorschriften, etc.) hab ich ne 1,2. 96% richtig. Heute in einer Woche hab ich die Praxis. Da werd ich nicht so gut abschneiden, weil ich zuviele falsche Handgriffe mache, die ich mir nicht abgewöhnen kann.

Sumosimi

Taat du nee borom djogol, so djoge mu topola.
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Haben dem Chef die Meinung gegeigt

Sumosimi 1573 03. 06. 2016 14:23

Re: Haben dem Chef die Meinung gegeigt

trinchenl 680 03. 06. 2016 19:33



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