Ganz einfach: Wenn ein Blick in den Spiegel mich noch depressiver macht, gucke ich nicht rein! Wie in meinem
Song, ich werde mich nicht mehr schminken, mir nicht mal mehr die Haare färben! Letzteres ist ungesund, weil die Haarstruktur drunter leidet und der Haarbruch hat die Friseuse entsetzt. Ich setze mich nicht mehr unter Druck, wegen ich müsste abnehmen. Für was? Für wen? Warum soll ich leichter werden? Wozu soll ich gut aussehen? Für mich? Wieso denn, wenn ich einfach nicht in den Spiegel sehe, was soll es mich ärgern, wie ich aussehe?
Dann muss ich auch nicht kontrollieren, ob irgendwas im Gesicht verlaufen ist. Hat man schon Schwierigkeiten, das Bett zu verlassen, soll man sich dann noch schminken und stylen, wenn der Blick in den Spiegel den ganzen Tag vermiest? Nein, das muss nicht sein. Ich schminke mich einfach nicht mehr und gehe an allen Spiegeln vorbei. Die im Bad und im WC hängen sowieso sehr hoch. An den anderen gehe ich so vorbei. Und nichts spricht gegen Naturgrau. Alle älteren Frauen werden grau. Meine Tante trägt das auch.
Klar, es braucht irgendwie schon Mut dazu. Beim Friseur musste ich den Anblick heute 20 Minuten ertragen. Das war schlimm. So schlimm, dass es für 20 Tage mindestens reicht. Warum nicht auch länger? Es braucht ja auch Mut, wenn man sich grässlich fühlt, trotzdem in den Spiegel zu sehen und sich zu schminken, weil man sich einredet, besser aussehend könnte man sich selbst besser ertragen. Mal ehrlich: Das stimmt nicht. Früher musste ich das tun, weil ich entweder im Service oder anderswo in einer Firma gearbeitet habe, und nach außen hin wollte ich einen guten Eindruck machen, weil ich mich dann auch sicherer fühlte. Nun habe ich keine Arbeit, für die ich mich aufbrezeln muss, mein Mann kennt mich ungeschminkt, wenn wir zuhause waren den ganzen Tag, und natürlich kann er mich auch sonst überall ungeschminkt erleben. Wieso nicht, Lippenstift geht sowieso ab, wenn man woanders was trinkt oder isst.
Es ist was Anderes, wenn man zur Arbeit geht, oder zum Fotografen. Da kommt man am Stylen nicht vorbei. Sonst braucht man das alles aber gar nicht! Weder strapazierende Haarfarbe, noch verlaufenden Eyeliner. Ich bin ganz sicher, dass ich auch nicht mehr vor die eigene Kamera treten will. Fürs Fratzenbuch habe ich genug Fotos geschossen. Mehr muss nicht sein.
Wie ich schrieb, dazu gehört Mut, ja. Und auch eine gute Portion Selbstbewusstsein, glaube ich. Meine Schwägerin schminkt sich nicht, meine Nichten schminken sich auch nicht. Die sehen auch ohne Schminke gut aus. Ich schminkte mich auch nur aus Protest gegen die Eltern, und um nicht mehr so bleich auszusehen. Gebraucht habe ich das Zeug eigentlich nie, na gut heute kann ich es schon vertragen, aber heute will ichs nicht mehr. Ach so, ich habe einen Wendu-Kurs gemacht, dort lernt man Selbstbehauptung und Selbstverteidigung, heißt übersetzt "der Weg der Frau" und ist nur für Frauen und Mädchen. Die Jüngsten waren 6 Jahre alt, die Älteste war 93, und ich bin sehr froh, dabei gewesen zu sein.
bi-polare Grüße
Bipolara
Autorin, Hobby-Fotografin u. -Komponistin
Nicht nur ich leide unter meiner Krankheit. Die anderen tun es auch manchmal.