Ich kann das alles gut nachvollziehen, gut, dass du dich abgrenzt. Ich weiss aber auch, dass es damit nicht getan ist, man ärgert sich noch eine Weile.
Die Frage ist, wie geht man generell damit um, um nicht wieder und wieder ausgenutzt zu werden. Einerseits lernt man dazu und wird vielleicht wachsamer und misstrauischer, andererseits will man ja keine abgestumpfte Zynikerin werden, die niemandem mehr hilft, nur um ja nicht ausgenutzt zu werden.
Bei mir ist das auch ein bisschen ein Thema und ich hab gemerkt, ich habe da ein viiiiel zu großes Appellohr und weiss auch, dass es in meiner Kindheit und Jugend praktisch nicht die Möglichkeit gab, nein zu sagen. Meine Mutter konnte nicht bitte sagen und erwartete, dass ich von selber drauf komme, wenn sie Hilfe im Haushalt braucht. So war sie dauerenttäuscht und ich dauerfaul und wenn sie sich dann doch durchringen konnte, mich zur Hilfe aufzufordern, war es schon so weit, dass ich nicht mehr nein sagen konnte, weil dann ihr Gezeter los ging. Ich kann das grade nicht ausführlicher erklären, aber kommt rüber, was ich meine? Aber nein war ein Affront gegen andere. Es wurde mir nicht beigebracht, dass ich auch eine Wahl habe.
Mir fällt auch auf, dass ich auf ein "könntest du bitte" von Kollegen gleich aggressiv reagiere. Kommt wahrscheinlich daher, dass es sich für mich immer noch so anfühlt, als mache ich etwas verbotenes, wenn ich nein sage.
Hatte das Thema neulich mit meinem ADHS-Kumpel. Er braucht ständig Geld und äußert sich dann so: Ich brauche dringend Geld.
Für ihn ist das eine ganz normale Feststellung einer Tatsache. Aber Sumosimi fühlt sich natürlich sofort aufgefordert, seine Bedürfnisse zu erfüllen und findet es natürlich auch unverschämt, so etwas so fordernd zu äußern (es war in einem chat, in schriftlicher Form, ich hätte es auch wirklich nur als Feststellung verstehen können). Wir hatten deswegen sogar einen Streit. Und da erst ist mir klar geworden, dass es mein riiiiiesiges Appellohr ist, das ich mal ein bisschen zu machen muss.
Da mein Kumpel sehr klug ist, hält er sich mittlerweile mit solchen Äußerungen zurück bzw. wenn er wirklich was von mir will, fragt er direkt, das hilft mir. Ich hab gelernt, nachzufragen, wenn ich unsicher bin, ob er nun was von mir erwartet oder ob er mir nur mitteilt, was bei ihm grade so los ist. (Es ist immer eine Katastrophe bei ihm, ADHS mit Hochbegabung kann richtig schlimm sein.) Das Problem hätte sonst wahrscheinlich für Spannungen in unserer Freundschaft gesorgt und da ich grade mit allen anderen Leuten Spannungen auszuhalten hab ;-) , hätte ich das nicht auch noch gebrauchen können.
Ähnlich geht es mir, wenn Leute mir ihre Probleme schildern. Ich fühle mich immer aufgefordert, ihnen eine Lösung zu präsentieren oder zumindest einen guten Rat zu geben. Das kommt meistens gar nicht gut an. Oft wollen die Leute einfach nur, dass man ihnen zuhört, weil sie
dann für sich selber besser reflektieren können. Ist mir auch so geschehen mit meinem Kumpel, gab wieder Streit :-D - ich bin so froh, dass ich einmal im Leben einen Kumpel hab, der sich wirklich mit mir streitet! Man lernt so viel!
Er braucht, wenn seine Katastrophen mal wieder alle gleichzeitig eskalieren, jemand, der ihm nur zuhört. Das hilft ihm, sich zu ordnen.
Wenn ich Katastrophen habe, dann rede ich entweder gar nicht drüber oder erwarte, wenn ich jemandem davon erzähle, schon ein Feedback, einen Rat, Vorschläge, wie ich mit der Situation umgehen könnte. Wenn mir jemand nur zuhört und nickt, dann komm ich mir verarscht vor. Deshalb fällt es mir natürlich schwer, bei anderen nur zuzuhören und zu nicken.
Und jetzt stell ich fest, mein Kumpel weiss alles selber, er kriegt es nur nicht geordnet und es tut ihm weh, wenn ich ihm schlaue Ratschläge erteile. Andere Leute wollen aus anderen Gründen keine schlauen Ratschläge.
Auch da ist meine Strategie nun Nachfragen, wenn ich mir unsicher bin.
Mit meinem Kumpel ist das geklärt. Einem ADHSler Ratschläge zu geben, wie er sein Leben auf die Reihe kriegen sollte, ist, wie wenn man einem Rollstuhlfahrer sagt, er müsse ja nur aufstehen und einen Fuß vor den anderen setzen... ich hab mich mehrmals entschuldigt und bemühe mich jetzt, nicht wieder in diese Falle zu tappen, was schwierig ist. Aber seit er gesagt hat: Sumosimi, was du bei mir "blinde Flecken" nennst, das seh ich greller als alles, was du dir vorstellen kannst.
Sumosimi
Taat du nee borom djogol, so djoge mu topola.